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Kurze Geschichte der HPSG in Tübingen
Die HPSG-Projekte am Seminar für Sprachwissenschaft nahmen ihren
Anfang im Jahr 1992 mit dem Projekt B4, Constraints on Grammar
for Efficient Generation, von Erhard Hinrichs und Dale Gerdemann im
ehemaligen Sonderforschungsbereich 340. Dieses Projekt begann mit dem
Vorhaben, Probleme der Generierung von Sprache im Paradigma der
kopfgetriebenen Verarbeitung von Sprache zu untersuchen. Mit der
Gewinnung von Paul King und Guido Minnen als Projektmitarbeiter
konzentrierte sich das Projekt rasch auf die Untersuchung der
logischen Grundlagen der HPSG als dem für die Projektzwecke
vielversprechendsten Grammatikformalismus, auf die Bereitstellung
einer geeigneten Implementierungsplattform für HPSG-Grammatiken (die
über Troll schließlich zum ConTroll System führen sollte), sowie auf
die Spezifikation und Implementierung geeigneter Grammatikfragmente
und Beispielanalysen vor allem des Deutschen, um sowohl mit der
linguistischen Theoriebildung als auch mit der computationellen Praxis
Erfahrungen zu sammeln.
Parallel zu diesen Entwicklungen bot Tilman Höhle im Sommer 1992 am
Deutschen Seminar in Fortsetzung der Tradition seiner
Einführungsseminare in die Syntax, welche zuvor ihren
Ausgangspunkt bei der Generalized Phrase Structure
Grammar oder aber beim Government and Binding Framework Chomskyscher
Prägung genommen hatten, erstmals eine auf HPSG basierende Einführung
in die Syntax an. Der Zeitpunkt war insofern besonders glücklich, als Carl
Pollard als Gastprofessor des Projektes B4 sich bereit erklärte, für
einen Monat die Leitung des Einführungskurses zu übernehmen und
aus erster Hand über aktuelle Entwicklungen zu berichten. Im
gleichen Semester veranstaltete Paul King ein Seminar zu den formalen
Grundlagen der HPSG, das inhaltlich auf der in seiner
1989er Dissertation entwickelten Speciate Re-entrant Logic beruhte,
aber mit modelltheoretischen Überlegungen zur Bedeutung
von Grammatiken über die dort dargelegten Aspekte hinausgriff. Seit
jenen Veranstaltungen gehören eine Einführung in die HPSG,
weiterführende Seminare zu verschiedensten Problemen ihrer Anwendung
auf einzelsprachliche Phänomene sowie zu ihren logischen Grundlagen
oder auch zur Grammatikimplementierung zum festen
Bestandteil des Kursprogrammes des SfS.
Die zweite Phase der HPSG-Projekte im SFB 340 in der Zeit von 1995
bis 1997 brachte eine Neuorientierung: Statt eines HPSG-Projektes gab
es fortan zwei. Das Projekt B4 setzte sich unter dem neuen Namen
From Constraints to Rules: Efficient Compilation of HPSG
Grammars zum Ziel, in Fortentwicklung des in der ersten Laufzeit
erarbeiteten Troll-Systems eine effiziente Implementierungsplattform für
Grammatiken zu schaffen, deren Funktionalität sich möglichst eng am
logischen Formalismus der HPSG und damit an linguistisch motivierten
Grammatiken von theoretischem Interesse orientierte. Die vornehmliche
Aufgabe des neuen Co-Projektes B8, Ein HPSG-Syntaxfragment für das
Deutsche, sollte es sein, in Zusammenarbeit mit einem an der
Universität Stuttgart angesiedelten semantischen SFB-Projekt ein
empirisch und theoretisch interessantes syntaktisches und semantisches
Fragment des Deutschen zu erstellen. Das Fragmentprojekt sollte
einerseits die linguistischen Ergebnisse des gesamten SFB möglichst
umfassend zu einem einheitlichen, projektübergreifenden Ganzen
integrieren, andererseits aber vor allem dem Projekt B4 durch die
Bereitstellung konkreter Grammatiken des Deutschen bei der Entwicklung
der Implementierungsplattform zuarbeiten. Gleichzeitig mit diesen
Bemühungen kam im Verbundprojekt Verbmobil HPSG zum Einsatz. In
mehreren Lesegruppen, oftmals durch Gastwissenschaftler oder
Gaststudenten und durch Doktoranden des Graduiertenkollegs Integriertes
Linguistikstudium bereichert, entwickelte sich ein lebhaftes und
produktives Umfeld, in dem zunehmend auch über die durch die
SFB-Projekte im engeren Sinne vorgegebenen Themen hinaus das Framework
der HPSG zur Grundlage empirischer und theoretischer sprachwissenschaftlicher
Fragestellungen wurde.
In der Auslaufphase des SFB 340, die 1998 begann, wurden die beiden
Teilprojekte B4 und B8 zu einem einzigen größeren Projekt
zusammengefasst. Auf Seiten der Implementierungsplattform wurde mit
dem Übergang vom 1997 abgeschlossenen ConTroll-System zu Trale aufgrund der
Erfahrungen von Gerald Penn mit dem von ihm geführten ALE-System
der Versuch eingeläutet, die bisherige Orientierung an theoretischer
Sprachwissenschaft, die ConTroll besonders stark kennzeichnete, mit den von ALE
bereitgestellten Methoden des effizienten Parsing zu verbinden. Zur
Unterstützung dieses Projektzieles wurden das Syntaxfragment des
Deutschen für Trale umgeschrieben und durch die Analyse weiterer
syntaktischer Phänomenbereiche theorieorientiert
erweitert. Des weiteren war diese Zeit gekennzeichnet durch den
Abschluss zahlreicher Dissertationsvorhaben sowohl von Mitarbeitern
des SFB selbst als auch aus dessen Umfeld. Im Rahmen des
von Paul King in Zusammenarbeit mit Kiril Simov von der Bulgarischen
Akademie der Wissenschaften in Sofia initiierten internationalen
Doktorandenprogrammes CLaRK kamen unter anderem mit Anna Kupsc und
Gergana Popova weitere an HPSG-Analysen verschiedener Sprachen arbeitende
Nachwuchswissenschaftlerinnen nach Tübingen.
Über den Abschluss des SFB 340 Ende 2000 hinaus bestanden zunächst
durch ein wissenschaftliches Austauschprogramm mit der University of
Essex zur Untersuchung der Gemeinsamkeiten von und Unterschieden
zwischen HPSG und Lexical Functional Grammar, in dessen Rahmen
insgesamt 6 internationale Workshops veranstaltet und ein zweiwöchiger
ESSLLI-Sommerschulkurs angeboten wurden, und durch eine Kooperation mit
dem BulTreeBank-Projekt an der Bulgarischen Akademie der
Wissenschaften zur Erstellung einer HPSG-Baumbank des Bulgarischen
zwei internationale HPSG-Projekte fort. Ab Herbst 2001 und Januar
2002 kamen mit dem MiLCA-Projekt Grammatikformalismen und
Parsing und dem A5-Projekt Distributionsidiosynkrasien.
Korpuslinguistische Erfassung und grammatiktheoretische Deutung des
Tübinger SFB 441 zwei neue umfangreiche Forschungsprojekte hinzu.
Wie es dann weiter ging, erfahren Sie auf den Webseiten der laufenden
Projekte...
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