Hansen-Schirra spricht über ”Psycholinguistische Methoden in der Translationswissenschaft”

Wir freuen uns, einen eingeladenen Vortrag von

Prof. Dr. Silvia Hansen-Schirra (Mainz)
zum Thema
Psycholinguistische Methoden in der Translationswissenschaft

im Obserseminar English Linguistics, Montag, 27.6.2016, 16.15-17.45 Uhr, Raum IG 3.201

anzukündigen.

Interessenten sind herzlich willkommen!

Zusammenfassung

Durch die Verwendung bilingualer Übersetzungskorpora sowie monolingualer Vergleichskorpora von übersetzten und nicht-übersetzten Texten in der Zielsprache konnten erstmalig Theorien und Hypothesen in Bezug auf Übersetzungsstrategien und –uni­versalien auf empirischer Basis überprüft werden. So konnte durch den Vergleich des Translational English Corpus mit dem Britisch National Corpus nachgewiesen werden, dass übersetzte Texte expliziter sind als Originale im Englischen (z.B. in Bezug auf optionale Elemente). Diese Art der Explizierung geht oftmals einher mit einer Simplifizierung von Übersetzungen und verursacht strukturelle Veränderungen im Zieltext. Außerdem konnte unter Zuhilfenahme paralleler Übersetzungskorpora (z.B. für das Sprachenpaar Englisch-Deutsch) gezeigt werden, dass die Äquivalenzforderungen beim Übersetzen auf der semantischen Ebene Vorrang vor denen auf der strukturellen Ebene haben, was wiederum zu grammatischen Variationen in Zieltexten führen kann. Diese Übersetzungsshifts sind einerseits durch typologische Unterschiede zwischen den involvierten Sprachen bedingt, andererseits aber auch durch unterschiedliche Textsortenkonventionen bzw. Registerwechsel. 

Nun lassen die korpuslinguistischen Ergebnisse zwar Rückschlüsse auf unterschiedliche Frequenzeffekte zwischen Ausgangs- und Zieltexten zu, oftmals bleiben die kausalen Zusammenhänge und Ursachen für die grammatischen Verschiebungen aber unklar, vor allem wenn sie auf Übersetzungsstrategien und kognitive Prozesse beim Übersetzen zurückzuführen sind. Um dadurch bedingte grammatische Veränderungen empirisch untersuchen zu können, ist eine multi-methodische Herangehensweise notwendig. Daher werden Produkt- und Prozessdaten miteinander trianguliert, um ein holistisches Bild des Übersetzungsprozesses zu erhalten. So liefert beispielsweise die Messung von Blickbewegungen, das Eyetracking, Hinweise auf Problemstellen im Ausgangstext. Die Aufzeichnung des Tippverhaltens beim Übersetzen, das Keylogging, lässt Rückschlüsse auf die Problemlösestrategien im Zieltext zu. Durch die Triangulation dieser beiden Messverfahren wird nachvollziehbar, welche Prozesse sequentiell und welche parallel vonstattengehen, was wiederum Rückschlüsse auf Automatisierungsmechanismen bei der kognitiven Verarbeitung zulässt. Neueste Ergebnisse aus Gehirnstrommessungen mit dem EEG und ereigniskorrelierten Potentialen lassen wiederum Erkenntnisse im Hinblick auf Interferenzeffekte beim Übersetzen (z.B. bei der Verarbeitung von Kognaten) zu. Dadurch können erstmalig korpusbasierte Effekte wie Normalisierung oder Shining-through psycholinguistische hergeleitet werden.

Links